Artikel in der StZ: “Hier wird viel Geld verdient – der Patient ist das Opfer”

Stuttgarter Zeitung online

Das Geschäft mit Schönheit und Jugend lohnt sich – für die Ärzte und für die Pharmafirmen. Je mehr Praxen und Kliniken eröffnen, desto gründlicher sollten sich die potenziellen Patienten informieren. Denn Schönheitschirurg darf sich jeder Arzt nennen.

Von Daniela Eberhardt

Etwa 800 000 bis zu einer Million Schönheitsoperationen werden pro Jahr in Deutschland durchgeführt, Tendenz steigend. Knapp die Hälfte davon sind Faltenbehandlungen. Bei den Frauen steht die Brustvergrößerung an erster Stelle, gefolgt von der Fettabsaugung. Männer – ihr Anteil liegt insgesamt bei rund 20 Prozent – lassen sich vor allem die Nase operieren. Eine Brustoperation kostet 5000 bis 6000 Euro, davon schlagen die Implantate mit etwa 1500 Euro zu Buche.

Der Markt ist lukrativ: In Stuttgart freuen sich die Privatkliniken über eine stetig steigende Nachfrage. Allerdings unterstellt Peter Hollos, Leiter der Klinik für plastische Chirurgie Degerloch, seinen Kollegen, dass auch sie dieses Jahr die allgemein schlechte Wirtschaftslage zu spüren bekommen. Er habe seit Anfang 2004 erstmals einen Einbruch von rund zehn Prozent zu verzeichnen. Das absolute Spitzenjahr für die Branche sei 2002 gewesen, bis Ende 2003 habe man Zuwachsraten von bis zu 15 Prozent gehabt. “Das ist einmalig im Gesundheitswesen.”

Das hat längst auch die Pharmafirmen auf den Plan gerufen. “Die Industrie macht knallhart Werbung”, sagt Ramin Khorram von der Apollo-Kinik nahe der Karlshöhe. In Anzeigen im Ärzteblatt werden Wochenendseminare fürs Faltenunterspritzen angeboten. Ein Werbeblatt preist Injektionen als “leicht erlernbare Therapie”. Die Rückgänge seit Einführung der Praxisgebühr, heißt es weiter, seien für jeden Arzt eine Chance: “Endlich steht mehr Zeit zur Verfügung, das Leistungsangebot der Praxis zu erweitern und so auch in schwierigen Zeiten wettbewerbsfähig zu sein.” Sprich: mit gut zahlenden Privatpatienten Kasse zu machen.

Auch in Stuttgart eröffnen immer mehr Praxen und Privatkliniken. “Auf dem Markt tummelt sich alles: Hautärzte, Gynäkologen, Urologen”, sagt Wolfgang Gubisch. “Hier wird viel Geld verdient. Und der Patient ist immer das Opfer.” Zu ihm und seinen beiden Kollegen am Marienhospital kommen die schweren Fälle, machen von ihnen sind schon “x-mal operiert”. Das Marienhospital hat die älteste und größte Klinik für plastische Chirurgie in Deutschland, mit besonderem Augenmerk auf das Gesicht – und mit bis zu einjährigen Wartezeiten.

Andernorts werden die Patienten prompt bedient – vielleicht schneller, als ihnen hinterher lieb ist. Denn in Deutschland darf sich jeder approbierte Arzt Schönheits- oder ästhetischer Chirurg nennen. Dieser Begriff ist nicht geschützt. Das heißt auch, dass ein Mediziner keinerlei Qualifikation nachweisen muss, wenn er den Titel auf sein Praxisschild schreiben will. Dagegen laufen die plastischen Chirurgen seit Jahren vergeblich Sturm. Nur sie, betonen die Mediziner, lernten in ihrer Facharztausbildung die entsprechenden Operationstechniken. Wobei Wolfgang Gubisch einschränkt: “Ein Facharzt sagt noch nicht allzu viel aus: Ein Brustspezialist muss noch lange kein Facelift beherrschen.”

Sein Rat an alle, die sich der Schönheit wegen operieren lassen möchten: “Gehen Sie zu jedem, der eine Klinik hat, und fragen Sie, wo er sich selbst operieren lassen würde.” Vertrauen spiele eine zentrale Rolle, ergänzt Annette Kotzur, Betreiberin der Sophienklinik in der City. Die beste Empfehlung sei die geglückte Operation einer Freundin oder Bekannten. Die meisten ihrer Patientinnen wollten nur ein bisschen Dekolleté: “Cup C ist gerade in.” Das entspricht meist rund 300 Gramm pro Seite. “Viele Mittdreißigerinnen wollen nach zwei Kindern wieder eine Brust wie beim Stillen haben.”

Eine Liste der Fachärzte in Stuttgart gibt es über die Vereinigung der Deutschen Plastischen Chirurgen (VDPC). Einige von ihnen haben Checklisten erstellt, anhand derer die Patienten einen seriösen Arzt erkennen sollten. Außerdem operieren die vom Verband genannten Mediziner in etwa nach denselben Kriterien. Die meisten bieten ein breites Spektrum: Gesicht, Brust, Falten … Hier sieht Wolfgang Gubisch ein Problem: “Wer viel macht, kann überall nur Kreisklasse spielen.” Sein Rezept: möglichst viele Spezialisten. “Es geht um viel Geld. Da kann ich nicht alles machen, was reinkommt.”